Ursachen für Schiff-Wal-Kollisionen

WARUM passieren Schiff-Wal-Zusammenstöße überhaupt?

Fabian_MEEReV (111)Immerhin sind Wale bekannt für ihr gutes Gehör – und große Schiffe dafür, dass sie unter Wasser laut sind. Dennoch sind sich die Tiere offenbar oft nicht bewusst, dass ein Schiff herannaht.

Einerseits liegt die Begründung im Verhalten der Tiere: Wale haben Ruhe- bzw. Schlafphasen oder können durch Verhaltensweisen wie z.B. Nahrungssuche, Jagd oder Spiel abgelenkt sein. Außerdem reagieren verschiedene Arten ganz unterschiedlich auf Schiffe bzw. Boote. Es gibt die „freundlichen“ und die scheuen. Und selbst innerhalb einer Spezies kann das Verhalten beträchtlich variieren, weil es z.B. besonders neugierigen Individuen gibt – nicht selten sind es die Jungtiere, die zudem keine oder nur wenig Erfahrung mit menschengemachten Gefahren haben. Darüber hinaus können die Tiere durch den vielfach vorherrschenden Lärm im Meer bereits gehörgeschädigt oder ihre Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt sein.

Schall verhält sich im Wasser anders als in der Luft.

Delfine, Irland, Ute Magreff, Dirk SchamuhnZwar wird er im Wasser etwa fünf Mal schneller transportiert, jedoch unterliegt er auch physikalischen Phänomenen wie Absorption, Streuung und Brechung. Ein fahrendes Schiff, dessen Hauptschallquelle – die Schiffschraube –  am hinteren Ende des Fahrzeuges sitzt, schirmt diesen Schall durch den Schiffsrumpf nach vorne weitgehend ab. Kommt eine besondere Schichtung der Wassermassen hinzu, wie sie im Meer nicht selten auftritt, kann im Bereich vor einem Schiff ein regelrechter Schallschatten entstehen, der die Wahrnehmung einer herannahenden Gefahr nicht nur schwer, sondern gänzlich unmöglich macht. Bei sehr langen Schiffen kann die große Entfernung zwischen Bug und Schiffschraube dazu führen, dass sich selbst aufmerksame Wale gehörig verschätzen. Schon rein physikalisch ist sie Sache also weit komplizierter als gemeinhin angenommen.

So viel aber ist gesicherte Erkenntnis: Die Schwere der Verletzung bzw. die Gefahr eines tödlich endenden Zusammenstoßes hängt wesentlich mit zwei Faktoren zusammen: Größe und Geschwindigkeit des Schiffes. Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt, dass die meisten Todesfälle von Schiffen mit 80 m Länge oder mehr verursacht wurden. Außerdem ereigneten sich 89% der Kollisionen mit schwer verletzten oder getöteten Walen bei Geschwindigkeiten von mehr als 14 Knoten (ca. 26 km/h). Die Aufmerksamkeit der Schiffscrew kann ebenfalls entscheidend sein. Denn ein Ausweichen ist nur möglich, wenn das Kollisionsrisiko rechtzeitig erkannt und richtig eingeschätzt wird. Man bedenke: Bei Hochgeschwindigkeitsschiffen bleibt einem Kapitän, der in 500 Metern einen Wal vor seinem Schiff entdeckt, nur eine Reaktionszeit von nur einigen Sekunden, ein Ausweichmanöver einzuleiten.

 

Problem international anerkannt

SONY DSCWas wird auf  internationaler Ebene getan, um dem Problem zu begegnen? Derzeit geht es in erster Linie darum, überhaupt ein „rundes Bild“ der Problematik zu bekommen. Wie hoch ist die Zahl der Kollisionen? Wo finden sie statt? Wie kann man eine globale Erfassung der Vorfälle erreichen? Hierzu hat die Internationale Walfang Kommission (IWC) eine eigene Arbeitsgruppe ins Leben gerufen: die Ship Strike Working Group (SSWG). Sie hat neben dem Austausch an Informationen eine internationale Datenbank entwickelt, die Mitte 2009 online gegangen ist (LINK zur IWC-Website & Datenbank). Damit ist es jetzt zum ersten Mal für jedermann möglich, unkompliziert einen beobachteten Fall zu berichten. Die Datenbank hat bisher rund 1.000 Fälle erfasst (Stand: Juni 2010) und wächst stetig an. Weitere lokale Datenbanken wurden beispielsweise in den USA und Australien entwickelt. Vor allem durch die Vorreiterrolle der IWC ist die wissenschaftliche Gemeinschaft inzwischen auf das Thema aufmerksam geworden und auch die Zahl der Publikationen nimmt zu. Mehrere internationale Workshops haben sich mit der Problematik beschäftigt, weitere sind geplant, unter anderem ein hochkarätig besetztes, von der IWC initiiertes Treffen im September 2010 in Südfrankreich. Die wissenschaftlichen Bemühungen befassen sich neben der Datenerfassung außerdem damit, wie man das Kollisionsrisiko mithilfe mit modernen Methoden und Computermodellen simulieren kann. Verschiedene internationalen Organisationen und Abkommen verstärken zudem ihre Zusammenarbeit bzw. haben dies vor, so z.B. das Abkommen zum Schutz der Wale und Delfine des Schwarzen und des Mittelmeeres (ACCOBAMS), das Abkommen zum Schutz der wandernden Tierarten (CMS) und das Umweltkomitee der Internationalen Schifffahrts-Organisation (IMO).

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