12 Nov

Zerteilter Pottwal vor den Kanaren

Gemeinsame Pressemitteilung von M.E.E.R., WDC & Ventana al Mar

Zerteilter Pottwal vor den Kanaren – Opfer einer Kollision mit einer Schnellfähre?

La Gomera, Berlin, München – 12. November 2021. Walbeobachter haben vor der Kanareninsel den Kadaver eines Pottwals entdeckt. Der Wal wurde in der Mitte zerteilt vorgefunden, der vordere und hintere Teil seines Körpers trieben getrennt voneinander an der Meeresoberfläche. Der Verdacht liegt nahe, dass der junge Wal von einer der vielen zwischen den Kanaren verkehrenden Hochgeschwindigkeitsfähren erfasst und getötet wurde.

Bei einer Walbeobachtungstour vor La Gomera (Kanarische Inseln) gab es eine unerwartete Sichtung: Tourguides und Touristen sichteten einen Pottwal, der reglos an der Oberfläche trieb. Schnell war klar, dass der Meeressäuger nicht mehr lebte. Die Überraschung war komplett, als sie erkannten, dass der Pottwal in zwei Hälften zerteilt dahintrieb.

Sowohl die Küstenwache, als auch Meeresbiologen der vor Ort tätigen Organisationen M.E.E.R. und Ventana al Mar wurden informiert. Ein Expertenteam begab sich unmittelbar zum ca. zwei Seemeilen vor der Küste entfernten Fundort. Dort fotografierten die Biologen den toten Wal über und unter Wasser und entnahmen Fett- und Hautproben für weitere Untersuchungen.

„Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Pottwal ein weiteres Opfer der vielen Hochgeschwindigkeitsfähren ist, welche die Kanarischen Inseln miteinander verbinden“, sagt Fabian Ritter, Meeresschutzexperte bei WDC und wissenschaftlicher Leiter des Berliner Vereins M.E.E.R.. „Es gibt keine andere Erklärung für einen zweigeteilten Wal, als dass er von den scharfen Rümpfen der Fähren erfasst wurde.“

Die Kanaren sind eines der wichtigsten Touristenziele in Europa. Die Pandemie hat den Inseln stark zugesetzt, da der Besucherstrom durch COVID19 im letzten Jahr praktisch zum Erliegen kam. Seit einiger Zeit erholt sich die Lage wieder – und folglich fahren auch wieder mehr Fähren zwischen den Inseln. Gleichzeitig stellt der Inselarchipel einen der wichtigsten und artenreichsten Lebensräume für Delfine und Wale im Nordatlantik dar. Insgesamt 30 Arten wurden hier schon dokumentiert, 24 davon vor La Gomera – das ist Europarekord.

„Grindwale, Große Tümmler und eben auch Pottwale sind um die Inseln fest ansässig“, sagt Meeresbiologe Volker Boehlke vom Verein Ventana al Mar auf La Gomera. „Sie sind für uns ein wichtiger Bestandteil all der Indizien, die den Zustand des Meeres beschreiben. Der Konflikt mit dem zunehmenden Verkehr zwischen den Inseln ist in den letzten 20 Jahren stetig größer geworden. Dabei spielen die immer schnelleren und größeren Schiffe leider eine wichtige Rolle“.

Es kommt regelmäßig vor, dass Wale von den schnellen Schiffen überfahren werden. Die globale Datenbank zur Erfassung von Kollisionen zwischen Schiffen und Walen kennt inzwischen fast 100 Fälle allein für die Kanaren, wobei die Dunkelziffer vermutlich sehr hoch ist. Der Archipel gilt international inzwischen als „Hot Spot“ für Kollisionen zwischen Schiffen und Walen. Pottwale, insbesondere deren unerfahrenen Jungtiere, sind dabei besonders anfällig. Studien haben gezeigt, dass die Pottwal-Population auf den Kanaren vom Aussterben bedroht ist, wenn diese Bedrohung nicht gemindert wird.

„Die entscheidende Frage ist, ob der Wal bereits tot war, als er überfahren wurde oder ob die Kollision mit einem Schiffsrumpf zum Tod geführt hat“, so Fabian Ritter weiter. „Diese Verantwortlichkeit muss dringend geklärt werden. Die Statistik sagt uns, dass es wahrscheinlicher ist, dass der Wal durch eine Schiffskollision ums Leben kam. Wir stellen die Fotos und Proben unseren Kollegen von der Universität Las Palmas auf Gran Canaria zur Verfügung, die Spezialisten darin sind, die Todesursache zu ermitteln. Dies wird aber noch eine ganze Weile dauern.“

Einstweilen empfehlen internationale Experten, die Geschwindigkeit der Fähren zu reduzieren und Meeresschutzgebiete zu meiden, von denen es rund um die Kanaren einige gibt, die von Schiffen und Booten jedoch stark frequentiert werden. Mit Geschwindigkeitsbegrenzungen und Sperrzonen kann die Gefahr von Kollisionen für die Meeressäuger erheblich verringert werden. Organisationen wie WDC und M.E.E.R. setzen sich seit langem für solche Maßnahmen ein.

Kontakt Interviews: Fabian Ritter, fabian.ritter@whales.org , Mobil: 01577 344 82 74

  

Über M.E.E.R.

Der gemeinnützige M.E.E.R. e.V. mit Sitz in Berlin hat sich dem Schutz der Meere verschrieben. Er sieht seine zentrale Rolle in der wissenschaftlichen Erforschung von Walen und Delfinen und der Erarbeitung Handlungsgrundlagen für die Entscheidungsträger. Auf La Gomera betreibt der Verein seit 1998 ein preisgekröntes Forschungs- und Bildungsprojekt, dass international als best-practice-Beispiel für nachhaltigen Walbeobachtungstourismus angesehenen ist, da es in beispielhafter Weise Tourismus und Wissenschaft verbindet. Durch kontinuierliche und großenteils ehrenamtliche Arbeit konnte der Verein wesentlich dazu beitragen, dass die Gewässer La Gomeras in Bezug auf Vorkommen und Verbreitung von Delfinen und Walen eines der am besten untersuchten Gebiete innerhalb der Kanaren und in Europa ist.

https://m-e-e-r.org

 

Über Whale and Dolphin Conservation (WDC)

WDC, Whale and Dolphin Conservation, ist die weltweit führende gemeinnützige Organisation, die sich ausschließlich dem Schutz von Walen und Delfinen widmet. Gegründet 1987 in Großbritannien sind wir seit 1999 mit einem Büro in Deutschland vertreten. Weitere Büros befinden sich in Argentinien, den USA und in Australien. Im Rahmen von Kampagnen, politischer Überzeugungsarbeit, Bildung, Beratung, Forschung, Rettungs- und Schutzprojekten verteidigen wir Wale und Delfine gegen die zahlreichen Gefahren, denen sie heute ausgesetzt sind. WDC- Wissenschaftler*innen arbeiten in nationalen, europäischen und internationalen Arbeitsgruppen, sind in allen relevanten internationalen Foren vertreten und haben direkten Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen zur Zukunft von Walen und Delfinen. Wir sind Ansprechpartner*innen für Medien, Öffentlichkeit und Entscheidungsträge*innen. WDC ist eine als gemeinnützig anerkannte Körperschaft. Wir arbeiten politisch unabhängig und finanzieren uns über Spenden und Stiftungsmittel.  Unsere Vision: Eine Welt, in der alle Wale und Delfine in Freiheit und Sicherheit leben.

www.whales.org

 

Über Ventana del Mar

Ventana al Mar ist ein eingetragener Verein, der sich dem Umweltschutz und der Umweltbildung widmet. Mit Aktionen wie Strandreinigungen und vielerlei Aktivitäten zur öffentlichen Bildung machen die Mitglieder des Vereins ehrenamtlich auf Umweltproblem auf La Gomera aufmerksam und erarbeiten Lösungen für eine ökologisch nachhaltige Entwicklung auf der kleinen Kanareninsel.

www.ventanaalmar.org