10 Mrz

Traumzeit von Dommie Bars

Interview

„Traumzeit“ ist ein Song, der durch eine besondere Begegnung zwischen Mensch und Orca entstanden ist. Dommie Bars ist Rapper, Produzent und Songwriter aus München, außerdem ist er sehr meeresverbunden und lässt sich zudem kaum Gelegenheit entgehen, in andere Kulturen einzutauchen. Das Erlebte malt er in Bilder aus Musik und Sprache. M.E.E.R. e.V. hatte die Möglichkeit, sich mit ihm zu unterhalten:

M.E.E.R.: Was war der Auslöser, den Song Traumzeit zu schreiben? Erzähl uns bitte etwas über die Entstehungsgeschichte.

Foto: Dommie Bars

Dommie Bars: Der Schlüsselreiz wurde sicherlich auf unserem Roadtrip durch Westaustralien im März 2018 gesetzt. Meine Freundin und ich hatten während einer forschungsbegleiteten Whale-Watching-Tour das große Glück, einer wildlebenden Orca-Familie zu begegnen. Einer der Schwertwale wirkte besonders neugierig, schwamm etwas zur Seite gelehnt unter dem Boot hindurch und sah uns direkt in die Augen. Musik entsteht bei mir immer aus einer Emotion heraus. Das Aufeinandertreffen mit den Orcas war definitiv ein „Bucket List“-Moment. Das Instrumental von dem befreundeten Produzenten – Manuel Reimers – hatte ich mir schon lange beiseite gelegt. So kam eins zum anderen.

M.E.E.R.: Warst Du schon immer so Meeres-verbunden und Wal-affin oder gab es Schlüsselmomente, die das ausgelöst haben?

Dommie Bars: Als Kind der 90er habe ich natürlich den amerikanischen Kino Blockbuster mit dem Wal, der heroisch in die Freiheit springt, gesehen. Ich denke da aber vor allem auch an Urlaube am Meer zurück, auf denen man mich mit völlig aufgeweichten und schrumpeligen Fingern und Zehen aus dem Wasser zerren musste. Ich schätze als Fische-Sternzeichen war ich genau in meinem Element.

M.E.E.R.: Hattest Du schon zuvor Wal- oder Delfinbegegnungen und darunter welche, die Dich so richtig berührt haben?

Dommie Bars: Meinen Vater zieht es jedes Jahr für mindestens eine Woche zum Segeln. Das zelebrieren er und seine Freunde nun schon seit ich denken kann. Jedes Mal kamen sie mit vielen spannenden „Geschichten aus dem Seesack“ zurück. Das wollte ich unbedingt selbst einmal erleben. Mit ungefähr vierzehn bekam ich auf Veruda eine Grundeinführung durch meinen Onkel. 2004 heuerte ich zusammen mit einem Freund das erste Mal alleine an Bord einer Segelschule in der nördlichen Adria an. Das Bild von surfenden Delfinen vor dem Bug, die einen teilweise über mehrere Stunden begleiten, hatte sich also schon früh in meinen Kopf eingebrannt. Fast fünfzehn Jahre später konnten wir dann auch einmal mit ihnen schwimmen. Erfahrungen, die ich auf keinen Fall missen möchte!

M.E.E.R.: Was fasziniert Dich speziell an Orcas? Und musstest Du lange auf eine Möglichkeit warten, Orcas zu begegnen?

Foto: Dommie Bars

Dommie Bars: Wale, Delfine und Haie haben mich schon immer fasziniert. Orcas im Speziellen haben so etwas Mystisches an sich. Bewundernswert finde ich zudem ihr ausgeprägtes Sozialverhalten sowie ihre Empathie füreinander. Das ist eine Charaktereigenschaft, die ich auch mir selbst zuschreiben würde. Daher habe ich beim Songwriting bewusst die Ich-Perspektive gewählt, um die emotionale Wirkung auf mich und den Hörer weiter zu verstärken.

Während einer Reise durch die USA hätte sich die erste Möglichkeit geboten, Orcas live zu sehen. Obwohl der Drang schon damals sehr groß war, haben wir uns bewusst gegen den Besuch in einem der Themenparks entschieden. Auch in Australien haben wir lange nach nachhaltigen Whale-Watching-Angeboten gesucht, aber zunächst nichts Überzeugendes gefunden, was sich von diesen typischen Unterhaltungsfahrten abhob.

Als wir es schon beinahe aufgegeben hatten, ergab sich in einem kleinen unscheinbaren Ort, der lediglich auf der Durchreise lag, die Gelegenheit mit einer Meeresbiologin raus zu fahren. Wir mussten mitten in der Nacht aufstehen, um rechtzeitig zur Bootsanlegestelle zu gelangen und wussten bis zuletzt nicht, ob der Skipper uns tatsächlich mit nimmt. Nach acht Stunden schwerem Seegang tauchten sie dann plötzlich in der Ferne auf. Hin und wieder zahlt es sich aus, unvermittelt Leute auf der Straße anzusprechen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

M.E.E.R.: Warum trägt der Song den Titel „Traumzeit“?

Dommie Bars: Den Begriff „Dreamtime“ oder „Dreaming“ schnappte ich das erste Mal bei einem Guide mit indigenen Wurzeln in Australien auf. Er ließ uns während der privaten Tour durch abgelegene Buchten an seiner tiefen Verbundenheit mit dem Meer, den Tieren, ja sogar mit den umliegenden Felsen, teilhaben. Dank seiner Achtsamkeit begegneten wir einem Riffhai, Stachelrochen und sehr verspielten Seelöwen. Etwas wehmütig fügte der Guide am Ende der Tour an, dass Kultur überall dort verloren geht, wo niemand mehr sie fortführen will. Später fand ich heraus, dass die Ureinwohner Australiens ihren Glauben nicht in Büchern festhalten, sondern durch Erzählungen der Traumzeit Legenden von Generation zu Generation mündlich weitergeben. Ich wollte dem Song durch den Titel eine weitere Ebene verleihen.

M.E.E.R.: Du sprichst im Song über Gefangenschaft und den Missbrauch der Tiere zur Unterhaltung von Menschen, sagst dass der Jäger zum Gejagten wird, Du erwähnst auch Tilikum und die abgesenkte Finne. Sind Dir diese Bilder in den Kopf gekommen als Du den wildlebenden Orcas begegnet bist?

Dommie Bars: Die Begegnung mit dem Orca-Pod war völlig frei von negativen Gedanken. Der kritische Blick entwickelte sich erst im Nachgang, als wir längst wieder zu hause in Deutschland waren und ich mich eindringlicher mit dem Thema befasste. Im Rahmen meiner Recherche stieß ich auf den Dokumentarfilm „Blackfish“. Originalaufnahmen zeigen das Schicksal des in Gefangenschaft lebenden Orcas Tilikum. Ab hier nahm der Songwriting Prozess eine drastische Wendung. In meinem Kopf drängte sich wieder die Parallele zu kulturellen Minderheiten auf. Was nicht in die moderne Gesellschaft passt, wird verfolgt, weg gesperrt oder zu Unterhaltungszwecken zur Schau gestellt.

M.E.E.R.: Was sollen die Hörenden von „Traumzeit“ mitnehmen, willst Du etwas Bestimmtes anregen oder bewegen?

Cover

Dommie Bars: Inmitten der schnelllebigen Medienlandschaft, in der das Verfallsdatum eines Songs gerade bis zum nächsten Release-Friday reicht, bin ich ja schon froh, dass wir über einen Monat nach Veröffentlichung überhaupt noch über „Traumzeit“ sprechen. Am Ende bleibt es ein Denkanstoß. Ein Song kann die elektrisierende Begegnung, die mich in meinem Umdenken bestärkt hat, nicht ersetzen. Im Optimalfall konnte ich auf meine Weise beitragen, ein Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen.

M.E.E.R.: Besuchst Du uns mal auf La Gomera, um auf das Meer raus zu fahren und den Walen und Delfinen dort auf behutsame und nachhaltige Weise zu begegnen? Mit etwas Glück und Geduld kannst Du Dir dort einen elektrisierenden Moment abholen…

Dommie Bars: Abgemacht! Wer weiß, was daraus entsteht 😉

 

Hier geht es zum Song „Traumzeit“: https://www.youtube.com/watch?v=p6m0aSurqJo

Dommie Bars auf Facebook: https://www.facebook.com/DommieBars/