Abschied von einem energischen Kämpfer für den Schutz der Meere
Als mich Alexandre de Lichtervelde, belgischer Kommissar bei der Internationalen Walfang Kommission (IWC), 2009 nach Brüssel einlud, um mit mir eine eventuelle Anstellung als sein wissenschaftlicher Berater zu erörtern, lernte ich ihn als agilen und gewissenhaften Mann kennen. Obwohl wir uns bis dahin nie persönlich begegnet waren, kannten wir uns bereits, ich ihn als Leiter der Arbeitsgruppe zum Thema „Kollisionen zwischen Schiffen und Walen“ und er mich als deutscher Vertreter dieser Gruppe und Mitglied des wissenschaftlichen Ausschusses der IWC.
In den Jahren unserer engen Zusammenarbeit traten wir als belgische Delegation bei den Jahrestagungen der IWC auf. Ich bin sehr stolz, ihn in dieser Zeit als Berater begleitet zu haben. Ich darf wohl behaupten, dass wir als engagiertes Team galten. Dass Alexandre gleichsam als Wirbelwind in der IWC galt, wurde mir schon bald immer deutlicher.
Ohne Zweifel war Alexandre de Lichtervelde einer der aktivsten Fürstreiter für den Walschutz und gegen den Walfang innerhalb der IWC. Seit Belgien 2004 Mitglied wurde, stand er nicht still – nein, er trieb an und ging voraus. Alexandre war engagiert, enorm umtriebig, visionär und ein buchstäblich nie im Stillstand begriffener Kämpfer für den Schutz der Wale und einer Erneuerung der IWC. Beim Thema Schiff-Wal-Kollisionen war er von Beginn an federführend und wesentlich dafür verantwortlich, dass dieses brisante Thema heute international diskutiert wird.
Ihm war klar, dass durch die Verknüpfung von Kompetenzen, gepaart mit anhaltenden diplomatischen Verhandlungen wichtige Veränderungen erreicht werden können. Scheinbar unermüdlich legte er ein ums andere Mal Papiere vor, die frischen Wind in die IWC und ihre verkrusteten Strukturen bringen sollten. Zuletzt z.B. eine von Belgien initiierte Strategie-Vorlage zum Schutz der Kleinwale, ein innerhalb der IWC geradezu revolutionäres Unterfangen. Auch wurde er einer der prominentesten Befürworter eines Schutz- und Management-Plans für die vom Aussterben bedrohte Population arabischer Buckelwale. Die Liste seiner Aktivitäten ließe sich beliebig fortsetzen.
Unvergesslich bleiben seine Beiträge in den Gremien, bei denen er humorvoll, aber energisch auftrat und stets mehr forderte, als die Gegebenheiten es zuließen. So war er auch im Lager der Walfangbefürworter ein angesehener Advokat, streitbar aber fair, und in der Sache außerordentlich gewissenhaft und voller Expertise. Er hat auf diese Weise seinem Land Belgien alle Ehre gemacht.
Wenn er ein noch nicht bearbeitetes Feld entdeckt hatte, war eine der von ihm am häufigsten an mich gerichteten Fragen „What can we do about this?“ Und sobald die erste Schritte getan waren, ein Prozess aber ins Stocken geriet: „We have to carry on!“ Es wird sich zeigen müssen, ob es gelingt, die Geschwindigkeit und das Engagement, das der „Wirbelwind Alexandre“ vorgelegt hat, beibehalten werden kann.
Alexandre de Lichtervelde schied am 17. September 2011 mit 53 Jahren völlig unerwartet aus dem Leben. Sein Tod reißt ein großes Loch in die Walschutzbestrebungen der IWC und genauso beim internationalen Abkommen zum Schutz der Antarktis (CCAMLR), wo er gleichermaßen für das belgische Umweltministerium aktiv war. Seine Bekenntnis zum Wal- und Meeresschutz, seine Präsenz und sein Humor werden allen, die ihn kannten, sehr fehlen.
Unser Beileid gilt vor allem seiner Familie, seinen beiden Söhnen und seiner Partnerin.
In tiefem Dank für seine Leistungen und in Ehrfurcht vor dem von ihm Erreichten.
We have to carry on…