10 Aug

Fischzucht und Delfine

Aquakultur – Lösung oder Problem?

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© Volker Böhlke

Kanarische Inseln, Aug/Sept 2011. Fischzucht (oder Aquakultur/fish farming) ist in aller Munde. Die Einen loben es als wertvollen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung, da bereits rund ein Drittel der globalen Fischereierträge aus Aquakultur stammt. Die Anderen beklagen massive Umweltschäden und durch Fischzucht verursachte Überfischung der Meere, weil für jedes Kilo Zuchtfisch im Durchschnitt 3 Kilo Wildfisch benötigt werden. Die wenigsten aber wissen um den Effekt, den die Anlagen auf wildlebende Delfine habe – wie z.B. auf Teneriffa.

Was wie ein harmonisches Miteinander anmutet – ein Delfin springt inmitten einer Fischzuchtanlage vor Teneriffa – ist bei näherer Betrachtung ein Zeichen für problematische Fehlentwicklungen. Große Tümmler haben sich nicht nur längst an die Fischzuchtkäfige vor den Kanarischen Inseln (und anderswo) gewöhnt, sie nutzen sie sogar geschickt aus. Da sich aufgrund der großzügigen Futtergaben auch jede Menge Wildfische um die Käfige herum versammeln, finden die Delfine hier einen „gedeckten Tisch“. Eine leicht erhältliche und vor allem verlässliche Nahrungsquelle. Ist das nicht sogar gut für die Meeressäuger?

 

Delfine werden abhängig

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(c) Volker Böhlke

Nein, sagen Experten. Denn die Delfine agieren opportunistisch und verändern ihr Verhalten. Sie wählen die Fischzuchten als regelmäßigen Aufenthaltsort zur „Jagd“ (die eher einem „Sammeln“ gleicht) und kommen so immer mehr in Kontakt mit menschlichen Aktivitäten – und dem Menschen selbst. Das führt dazu, dass ihre natürliche Jagdstrategien vernachlässigt notwendig und von Jungtieren möglicherweise gar nicht mehr erlernt werden. Im Extremfall werden die Tiere handzahm und nehmen sogar Nahrung aus der Hand des Menschen an. Dies wurde inzwischen vielfach beobachtet (siehe Abbildung), sodass sich die Kanarische Regierung inzwischen genötigt sah, Fütterungsaktivitäten durch Fischer zu verbieten. Dass solche Begegnungen weiterhin stattfinden – es möglicherweise bereits zu spät ist, da sich die Delfine voll an die neue Situation angepasst haben – beweisen die Bilder unsere Mitglieds, dem Biologen Volker Böhlke.

MEER e.V. fordert, dass bei der Planung, Einrichtung und dem Betrieb von Fischzuchtanlagen in solchen Gebieten, wo Delfine leben, deren Belange genauestens untersucht und beachtet werden, damit eine Gefahr für die Integrität wilder Populationen – wie an vielen Stellen der welt bereits geschehen – vermieden wird.

Hintergrund: Auf den Kanaren boomt die Fischzucht in unvergleichlichem Maße – vor allem auf Teneriffa, aber auch auf La Palma und Gran Canaria. Zukünftig sollen auch auf La Gomera Aquakultur-Anlagen eingeführt werden, ein entsprechender Raumordnungsplan liegt bereits vor.

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